| Inke Arns on Tue, 25 May 1999 11:55:52 +0100 |
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| Syndicate: The Century of Refugees, Conference 27-30 May 1999, Frankfurt (Oder) |
http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~hotzan/Konferenz/Konferenz.html
IM JAHRHUNDERT DER FLÃ?CHTLINGE
UMSIEDLUNG UND VERTREIBUNG IM GEDÃ?CHTNIS DER EUROPÃ?ISCHEN VÃ?LKER
Konferenz vom 27. bis 30. Mai 1999
Center for Advanced Central European Studies
Europa Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Planungsstand: 14. April 1999
Völkerverschiebungen in Europa
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind zwischen 40 und 60 Millionen
Menschen auf gewaltsame Weise aus ihrer angestammten Heimat vertrieben
worden: durch Deportation, Umsiedlung, Vertreibung, Flucht. Kaum eine
europäische Nation, insbesondere im mittleren und östlichen Europa ist von
dieser gewalttätigen Erfahrung verschont worden. Was immer die Begründungen
gewesen sind - ethnische Reinheit und Homogenität, Grenzsicherung und
Staatssicherheit, Bereinigung von Konflikten -, die Entwurzelung durch
gewaltsame Ortsveränderung und Heimatverlust ist eine europäische Erfahrung
in diesem Jahrhundert. Aber wie findet man eine Sprache für eine
europäische Grunderfahrung, die bisher immer nur im nationalen Idiom
erzählt worden ist?
Eine neue Situation
Dies kommt besonders jetzt, da das geteilte Nachkriegs-Europa verschwindet,
zum Bewu�tsein. Endlich können sich die einstmals verfeindeten Lager ihre
je eigenen Geschichten erzählen, jenseits von Blockzwängen, erzwungenen
Allianzen und ideologischen Rücksichtnahmen. Rechthaberei ist obsolet und
uninteressant geworden. Dies macht den Blick und die Rede frei. Es kann zur
Sprache gebracht werden, was vorher verschwiegen oder blockiert war.
Eine europäische Perspektive
Obwohl Deportation, Umsiedlung, Vertreibung eine europäische Erfahrung in
diesem Jahrhundert waren, wird das Gewaltgeschehen im groÃ?en und ganzen
nicht als europäisches wahrgenommen, sondern als Schicksal der je eigenen
Nation oder Volksgruppe. Die Deutschen beschäftigen sich mit dem Schicksal
der aus den Ostgebieten Vertriebenen, die Polen mit den aus ihren
Ostgebieten Vertriebenen und Umgesiedelten, die Griechen mit ihren aus
Kleinasien umgesiedelten Landsleuten, die Finnen mit den Kareliern usf. Es
wäre schon ein Gewinn, zu sehen, da� es so etwas wie einen europäischen
Umsiedlungs- und Vertreibungskomplex gibt. Die nationalstaatliche und noch
mehr landmannschaftliche Perspektive, die in der Einzelforschung so viel
geleistet hat, reicht an die Europäizität dieses Vorganges nicht heran. Die
Zusammenstellung der einzelnen Umsiedlungs- und Vertreibungsgeschichten
wäre nur ein erster, aber ein grundlegender Schritt, um eine dieser
europäischen Erfahrung im 20. Jahrhundert angemessene Perspektive zu
entwickeln.
Formen der Erinnerung, Arbeit des Gedächtnisses
In welchen Formen erinnert sich die Europäer an die gewaltsamen
Bevölkerungsbewegungen des 20. Jahrhunderts? Wie wird diese traumatische
Erfahrung verarbeit, soda� "die Wunden verheilen"? Dazu muss man zunächst
festellen, daÃ? die Erinnerung auf unterschiedliche Weise und in
verschiedensten Formen existiert: als private und individuelle Erinnerung,
als öffentliches Gedenken, als Erzählung in der Familie und Weitergabe von
Wissen zwischen den Generationen; in der Gestaltung von Gedenktagen und
Festen; in Bildern von der verlorenen Heimat, von Städten und Landschaften
und in Bildern von Tod und Zerstörung; die Erinnerung kristallisiert sich
in traumatischen Erlebnissen. Sie ist vorhanden in Bildern, Dokumenten, in
"mental maps", in einer inneren Topographie; sie bleibt vital in einer Form
des Heimattourismus, der Pflege von Friedhöfen und in einem weiten Feld
literarischer Produktion; sie wird je nach AnlaÃ? oder Bedarf immer wieder
reaktiviert und repolitisiert. Die Arbeit der Erinnerung stützt sich auf
>eine formelle und noch mehr informelle Infrastruktur von Verbänden, Museen,
Zeitschriften, Vereinen mit einem mitunter lebhaften Binnenleben (Lesungen,
Veranstaltungen, Filmvorführungen, Ausstellungen). Ein wesentlicher Strang
von Erinnerung und Gedächtnis ist natürlich auch die wissenschaftliche
Historiographie. Diese Erinnerung spielt immer wieder, besonders dann, wenn
sie sich instrumentalisieren lä�t, in den nationalen �ffentlichkeiten und
in der Arena des politischen Parteienkampfes eine groÃ?e Rolle. Wenn man
wissen will, wie es um die Verarbeitung dieser Erfahrung steht, muss man
diese Formen analysieren.
Was eine Konferenz leisten könnte
Die Erforschung des Komplexes der Völkerverschiebung und Zwangsmigration im
Europa des 20. Jahrhunderts steht ziemlich am Anfang. Es geht noch immer
darum, einen Blick zu gewinnen, der über den Horizont der Gruppe der
jeweils Betroffenen - seien es Schlesier, Ostpolen, Sudetendeutsche,
Kleinasiengriechen oder Krimtataren - hinausgeht. Herstellung dieses
Erfahrungshorizonts, Zusammentragen der ganz verschiedenen und in vielem
doch identischen Erfahrungen mit Deportation, kollektiver Bestrafung,
Entwurzelung ist in dieser Anfangsphase auÃ?erordentlich wichtig. Es geht um
elementare Informationen, Ausleuchten von weniger bekannten Winkeln in der
Topographie der europäischen Bevölkerungsverschiebungen. Es kann überhaupt
nicht darum gehen, eine Summe oder eine Synthese ziehen zu wollen, sondern
eher darum, eine offene Gesprächssituation zu schaffen, in der die gro�en
und kleinen Geschichten nebeneinander erzählt und gehört werden können. Ihr
Zweck ist nicht enzyklopädische Vollständigkeit, sondern der Versuch, eine
neue Sprache zu finden für die Beschreibung von Vorgängen, die zum Teil
schon oft neben- und gegeneinander gestellt worden sind.
An wen sich die Konferenz richtet
Es handelt sich um Fragen, die unserem Wissen von der GEschichte ebenso
angehören wie dem Geschichtsbewu�tsein in einem allgemeineren Sinne. Das
bedeutet, daÃ? Geschichtswissenschaft im engeren und Gesellschaft und
Ã?ffentlichkeit im weiteren Sinne mit diesem Fragen konfrontiert sind.
Entsprechend soll die Konferenz auch Raum für das Gespräche zwischen
Fachhistorikern und anderen berufsmä�ig mit dem Thema Beschäftigten wie
Verlegern, Schriftstellern, Politikern bieten. Angehörige jener Generation,
die aus eigenem Erleben beitragen können zum Verständnis des Geschehenen,
sind herzlich eingeladen.
Tagungsprogramm:
Donnerstag, den 27. Mai 1999
ERÃ?FFNUNG
18-20 Uhr
Hans N. Weiler (Rektor der Europa-Universität Viadrina): Eröffnung und
Begrü�ung
Karl Schlögel (Frankfurt/Oder): Der Vertreibungskomplex: Sprachlosigkeit und
Sprachefinden für eine europäische Erfahrung
Richard Swartz (Stockholm/Berlin): Ethnische Säuberung - Gründe und
Hintergründe für die Tragödie auf dem Balkan
ANSCHLIESSEND EMPFANG
Freitag, den 28. Mai 1999
I. SCHWIERIGE SPURENSUCHE
9-13 Uhr
Zbigniew Gluza (Warschau): Die Arbeit von 'Karta'. Ein Beispiel für die
Entwicklung von historischer Recherche und Dokumentation in Polen.
Dalia Kuodyte (Vilnius): Keeping the Memory Alive: The Experience of the
Lithuanian Genocide and Resistance Center and Museum
Thomas Horstmann (Berlin, Frankfurt/Oder): Vertreibung und Heimatverlust
im deutschen Film
Nikolaj Bugaj (Moskau): Das Schicksal der deportierten Völker im Umbruch
des postsowjetischen BewuÃ?tseins
Ruth Kibelka (Klaipeda/Berlin): Friedhöfe als Anhaltspunkt für eine
verschollene Geschichte
MODERATION: GREGOR THUM
II. HEIMATEN IM KOPF. TOPOGRAPHIEN DES VERLUSTS
15-18 Uhr
Aleksandra Garlicka (Warschau): Der Lemberg-Mythos und seine Bedeutung
für die aus den Kresy vertriebenen Polen
Walter Engel (Düsseldorf): Die konservierte Heimat. �ber Kultur und
Kulturarbeit der Vertriebenen
Niels Kadritzke: Smyrna - Izmir. Eine Stadt, zwei Erinnerungen
Bartlomiej Kaczorowski (Warschau): Kann ein polnisches Breslau das
verlorene Lemberg ersetzen?
Valerij Galcov (Kaliningrad): Zwei Begegnungen. Russen und Deutsche in
Königsberg und Kaliningrad 1945 und 1995
MODERATION: JERZY KOCHANOWSKI
20 Uhr
Stefan Chwin (Danzig) liest aus seinem Roman Hanemann
Sonnabend, 29. Mai 1999
GEDÃ?CHTNISORTE DES TRAUMATISCHEN
9-13 Uhr
Rachel Salamander (München): �berlebende Juden aus Osteuropa in
bayrischen DP-Lagern. Erinnerungen
Viorel Achim (Bukarest, Frankfurt/Oder): Rumänen in Sibirien
Aldona Zemaityte (Vilnius): Symbole und Chiffren: Waggons, Trecks, Lager
William Totok (Berlin): Die Deportation in den Baragan. Aus dem
archivalischen Nachla� des rumänischen Stalinismus
Njebosa Popov/Zoran Ziletic (Belgrad): Zweierlei Grauen: Jasenovac und das
Schicksal der Donauschwaben
MODERATION: CARL BETHKE
ERINNERUNG UND POLITIK
15-18 Uhr
Ota Filip (Murnau): Deutsche und Tschechen: Die nicht geglückte Symbiose
Ferdinand Seibt (München): Die Sudetendeutschen im tschechischen Diskurs
Hans Lemberg (Marburg/Lahn): Das Problem der Vertreibung in
Nachkriegs-Westdeutschland - Gedanken und Reflexionen
Tilman Zülch (Göttingen): Umsiedlung und Vertreibung heute:
Geschichtsbesessenheit und Gegenwartsvergessenheit als europäischer
Geisteszustand?
MODERATION: KARL SCHLÃ?GEL
ABSCHLUSS DER KONFERENZ
MIT DEM SCHIFF AUF DER ODER
19-22 Uhr
TAGUNGSORT:
Europa-Universität Viadrina
Hauptgebäude
GroÃ?e ScharrnstraÃ?e 59
D-15230 Frankfurrt (Oder)
Die Universität ist vom Bahnhof aus in 10 Minuten zu Fu� oder per Taxi in zwei
Minuten zu erreichen. Der Regionalexpress RE 1 geht stündlich von Berlin
nach Frankfurt (Oder). Die Fahrtdauer beträgt ca. 1 Stunde.
KONFERENZSPRACHEN:
Deutsch, Englisch, Polnisch
TEILNAHMEGEBÃ?HR:
50 DM
Studenten 25 DM
VERANSTALTER:
Prof. Dr. Karl Schlögel
Center for Advanced Central European Studies
Europa-Universität Viadrina
Fakultät für Kulturwissenschaften
Lehrstuhl Geschichte Osteuropas
INFORMATION UND ANMELDUNG:
Heidrun Hotzan
Sekretariat Lehrstuhl Geschichte Osteuropas
Fakultät für Kulturwissenschaften
Europa-Universität Viadrina
Postfach 1786
15207 Frankfurt (Oder)
Telefon: 0335 - 55 34-563
Fax: 0335 55 34-819
E-mail: hotzan@euv-frankfurt-o.de
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