Holger Schulze on Fri, 4 Apr 2003 16:28:31 +0200 (CEST)


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[rohrpost] [Wer vom Frieden nicht reden will]



http://www.woerterberg.de/archiv/2003_04_01_archiv.html#91933613

[3.4.03]

Ging es etwa nicht nur ums Öl, letztlich? Krieg war auf jeden Fall 
keine Lösung. Dieses ewige Warten, und der Wind spielte mit den 
Haaren von Antonia Rados. Man konnte sich wenigstens darauf 
verlassen, dass die Amerikaner schon keine Lust haben würden, ihr 
Gesicht zu verlieren. 

Als es losging, fand man es furchtbar. Sie taten es wirklich, und 
man musste hilflos zusehen. Man ging am Samstag zur Demo, obwohl es 
nichts nützen würde, und sah sich abends animierte Landkarten an, 
Lichtblitze im nächtlichen Bagdad und Reporter auf Panzern. Wieviel 
Farbe nötig gewesen sein mochte, um all diese Fahrzeuge dem 
irakischen Sand anzupassen, und wie schnell sie fuhren! Antonia 
Rados trug jeden Tag eine frische Bluse, mitten im Krieg, es war
klar, dass es nicht lange dauern konnte bei dieser Überlegenheit. 
Mit den Arbeitskollegen - auch sie hofften, es würde möglichst 
wenige Zivilisten treffen - besprach man die Tagesschau und wunderte
sich ein bisschen, dass die Raketen scheinbar in stets dieselben 
Gebäude einschlugen. Peter Scholl-Latour trug immer noch Halstuch 
und sagte, man dürfe keiner der beiden Seiten glauben. Es konnte 
nicht stimmen, was die Amerikaner behaupteten; um das zu wissen, 
hätte man die Bilder von diesem Marktplatz gar nicht gebraucht. 

Ein Armenviertel im Nordosten, so ähnlich wie Belleville vielleicht? 
Komisch, wie sich die Ungerechtigkeit noch im Krieg fortsetzte. 
Immerhin, die Iraker hatten sich doch besser vorbereitet als beim 
letztenmal. Gegen eine gut verteidigte Stadt konnten die modernsten 
Bomben nichts ausrichten, da musste man praktisch zu Fuss reingehen,
wegen der Zivilisten. Ob sich die Marines jetzt ärgerten, dass sie 
auf diesen Humanitätsflitter Rücksicht nehmen mussten? Überhaupt: 
Fast alle amerikanischen Soldaten wurden Marines genannt, dabei 
hatte man gedacht, so hiessen nur die Angehörigen der Elitetruppen. 

Seit Tagen schon waren es noch achtzig Kilometer bis Bagdad, die 
Amerikaner hatten sich verfahren und steckten im Sandsturm fest. 
Klarer Heimvorteil. Wenn es so weiterging, würden sie ihr zweites 
Vietnam erleben. Nicht einmal die Nachschublinien hatten sie 
richtig geplant, man durfte wohl annehmen, dass ihre Panzer auch 
nicht sparsamer waren als ihre Autos. Und sie sollten sich mal 
nicht so haben wegen der paar POWs und einer Taxibombe. 

Klar, Saddam Hussein - mal angenommen, er lebte überhaupt noch 
- war immer noch ein schlimmer Diktator, und ausserdem fing 
er jetzt an, so unappetitliche islamistische Parolen von sich 
zu geben. Andererseits: Was blieb der irakischen Führung übrig, 
schon Stalin hatte schwer auf Grossrussland machen müssen, 
um seine Leute bei der Stange zu halten. Selbst den Schiiten 
war das Hemd näher als der Rock, das hatte man sich ja denken 
können. Aber warum die Briten sich allein um Basra kümmern mussten, 
wurde auch nirgends erklärt. Die Engländer waren wenigstens 
zivilisiert genug, jetzt nur noch Mütze zu tragen und den Leuten 
mit einem Lächeln zu begegnen. Sie blieben eben doch irgendwie 
Europäer, ausserdem kannten sie sich im Irak wohl noch ganz gut 
aus, von damals her. 

Dann hiess es plötzlich: Nur noch dreissig Kilometer bis Bagdad, 
aber wer wollte das nachprüfen, im Grunde lagen sie ja immer noch 
am Euphrat herum. Wo kam der Euphrat eigentlich her? Es sah aber so 
aus, als hätten die Amerikaner jetzt endgültig die Geduld verloren, 
sie schmissen schon dauernd diese Bunkerbrecher und Clusterbomben. 
Komisches Gefühl musste das sein, eine Bombe segelt am Fallschirm 
auf dich runter. Aber dass es immer noch Leute gab, die sich 
ernsthaft über explodierende Geburtskliniken aufregten, war auch 
merkwürdig. Als liesse sich das vermeiden, wenn es hart auf hart 
kommt. Dann noch zehn Kilometer, es hiess, der Flughafen sei 
praktisch eingenommen und man könne im Stadtzentrum schon die 
Geschütze hören. 

Die Amerikaner hätten das Schwerste noch vor sich, sagten die 
Experten. Aber woher wollten die wissen, dass die Iraker jetzt nicht 
einfach die Gewehre wegschmissen? Es war ja doch nicht mehr zu 
gewinnen. Und so schlimm konnte es gar nicht gewesen sein, 
schliesslich stand Antonia Rados immer noch in Bagdad auf der 
Strasse. Immer noch mit frischer Bluse. Ob die Zivilisten jetzt 
schon offen darüber reden konnten, dass sie sich auf die Demokratie 
freuten? Vielleicht war es doch besser so, ein Ende mit Schrecken 
halt, aber ein Ende. Und erst zwei Wochen vergangen, wenn jetzt 
nichts mehr schiefging, konnten die Amerikaner mit Saddam immer 
noch schneller fertig sein als Hitler mit Polen. Rein zeitlich 
gesehen, natürlich. 

Vielleicht kam es ja wirklich so wie von Schröder gefordert, und 
die Iraker durften sogar ihr Öl selber verwalten. Sicher, das mit 
der Vorzeigedemokratie, Leuchtturm und so, war ein bisschen 
übertrieben. Aber immerhin. Dumm nur, dass dann im Fernsehen 
monatelang wieder nur die Arbeitslosen kamen.






















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 Iraq / ... - Oceania has always been at war with Afghanistan /
 Iraq / ... 


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