Florian Cramer on Wed, 11 Sep 2002 17:21:37 +0200 (CEST)


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Re: [rohrpost] Republikanerkunst


Am Mittwoch, 11. September 2002 um 16:00:24 Uhr (+0200) schrieb Henning Ziegler:
 
> Was ich nicht verstehe war Florians Hinweis "dass sich die Vordenker und
> Strategen dieser Zirkel auf dieselben Theoriegötter (sprich: Gramsci und
> seine postmarxistischen Adepten) berufen" - das war mir jetzt ganz neu.
> Details?

[Anm.: "diese Zirkel" = Rechtsextremisten]

Praktisch das gesamte Konzept der "nouvelle droite" bzw. "Neuen Rechten"
bezieht sich auf Gramsci und seinen Hegemoniebegriff (siehe z.B.
<http://www.google.de/search?hl=de&ie=ISO-8859-1&q=%22Neue+Rechte%22+Gramsci>).:   

   Die 'Neue Rechte' hatte mit dem kulturrevolutionären Gedanken
   von Gramsci einen neuen Anfang für den Kampf gegen die Demokratie
   gefunden.  Damit liessen sich die Herausforderungen, die sich aus
   der Niederlage der NPD ergaben, annehmen. Die Resignation konnte
   überwunden werden.  Traditionen konnten unter diesem Gesichtspunkt
   abgeklopft und der Zeit entsprechend verwertet werden. Der Blick
   wurde nicht mehr restaurativ nach hinten gerichtet. Es sollte eine
   neue antidemokratisch-revolutionäre Stimmung geschaffen werden.

   (Bernd Wagner, Handbuch Rechtsextremismus, Rowohlt 1994, S. 25)

Der wichtigste Mittelmann ist der französische Vordenker der "nouvelle
droite", Alain de Benoist, dessen Hauptwerk unter dem Titel
"Kulturrevolution von Rechts. Gramsci und die Nouvelle Droite" 
auf Deutsch erschien.  Eine Google-Suche "Benoist Gramsci" ergibt 305
Treffer, an erster Stelle die URL des "de Benoist Archive":

   "Drawing upon the theories of the Italian communist Antonio Gramsci, de
   Benoist started a struggle to 'contest' and delegitimise this opposing
   ideology. Labels should not be imposed on de Benoist although the term
   'Nouvelle Droit' (New Right) was one which he used. In a war of ideas,
   it was the appointed function of the Nouvelle Droit to provide new
   arguments." <http://www.alphalink.com.au/~radnat/debenoist/>

Von Benoist übernehmen diverse deutsche Vordenker der "Neuen Rechten"
den Gramsci-Bezug, so z.B.  Günther Rohrmoser, ...

   "Er fordert von seinen rechten und nationalkonservativen
   MitstreiterInnen die "kulturelle Hegemonie" (Vorherrschaft) in
   den gesellschaftlichen Diskussionen als Vorausetzung für eine
   "geistig-ethische Erneuerung" der BRD-Gesellschaft. [...[ Der
   Begriff und der theoretische Ansatz der "kulturellen Hegemonie"
   ist ürsprünglich im Kopf des Marxisten Gramsci geboren worden. Die
   Neue Rechte bedient sich dieser Thesen und legitimiert ihre
   Herangehensweise entweder mit eigenem Vokabular wie "theoriefähiges
   Kulturkampf-Konzept" (Schönekäs) oder geht wie Rohrmoser ersatzweise
   auf den gramscischen Kulturbegriff ein, wie Rohrmoser um am Schluß
   die vermeintlichen "marxistischen Kinderkrankheiten" zu brandmarken."
   <http://www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Themen/szw/seiten/neuerech.html>)

... die neurechte Wochenzeitschrift "Junge Freiheit", siehe
<http://www.hausarbeiten.de/archiv/germanistik/germ-freiheit.shtml>

... offenbar auch Haiders FPÖ:

   Zogholy zeigt in seiner Arbeit deutlich auf, welche Versatzstücke
   rechte Theoretiker sich aus Gramscis Theoriegebäude entlehnt haben
   und wendet diese Beschreibungs- und Erkenntniswerkzeuge auch auf die
   Kulturpolitik der FPÖ an.
   <http://www.prairie.at/rezensionen/literatur/artikel/20020307153315>

... und niederländische Rechtsextremisten:

     Der neurechte Meinungsführer Ruter ist ein Fan der Ideen von
     Gramsci, der jahrelang in Mussolinis Knästen lebendig begraben war. 
     <http://www2.cityinfonetz.de/homepages/hammerschmitt/low_rosstaeuscher.html>

...und den ehemaligen SDSler und heute führenden deutschen
Neonazi-Schulungskader Reinhold Oberlercher:

   Per Datenfernübertragung organisieren rechtsextremistische
   Computer-Freaks Oberlerchers Schulungen, den elektronischen Vertrieb
   nationalsozialistischer Zeitschriften sowie parteiübergreifende
   Diskussionen zu Strategie und Taktik der militanten Rechten. "Es
   wird Zeit", schrieb ein Neonazi-Funktionär im "Thule"-Netz, daß wir
   uns mit der "kulturellen Vorherrschaft der Linken und den Ideen von
   Antonio Gramsci" auseinandersetzen.
   Burkhard Schröder n: taz 1995, <http://www.burks.de/artikel/taz3.html>

Glaubt man dem niedersächsischen Verfassungsschutzbericht von 2001, geht
sogar das Konzept der "national befreiten Zonen" auf Gramscis
Hegemonielehre zurück
<http://www.niedersachsen.de/File/MI_verfassungsschutz2001.pdf>. 

-F

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