Tilman Baumgaertel on Thu, 16 Mar 2000 21:03:41 +0100 (CET)


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[rohrpost] Toywar-Replik


Hallo!

Ich sende das mal an die Liste weiter, und hoffe, es kommt durch. 

Gruesse, 
Tilman

>Sender: Reinhold.Grether@uni-konstanz.de
>X-Mailer: Calypso Version 3.10.02.01 (3)
>Date: Wed, 15 Mar 2000 08:03:51 +0100
>From: Reinhold Grether <Reinhold.Grether@uni-konstanz.de>
>To: Reinhold.Grether@uni-konstanz.de
>Subject: Toywar-Replik
>
>(Meine Antwortmail an Sebastian Luetgert wurde gestern
>dreimal vom rohrpost-majordomo weggefressen; auch
>Andreas Broeckmann raetselt, warum. Um so seltsamer,
>als meine zweite Mail mit dem Ingold-Hinweis problemlos
>durchkam. Schick ich den Text halt ueber das selbstgebastelte
>rohrpost-privat.)
>
>>bis hin zu den slick resistenten holzhammermetaphorisch
>>militanten und voellig unspielbaren toywar-plattformen
>>und etoy-kampagnen dieser welt, die bloss vertikal mit
>>wired news und spiegel online kommunizieren und sonst
>>niemand mit niemandem nirgendwas
>
>Nach dem Auswurf eines Fahrrads ein Aufschrei aus
>partnersuchender Seele. Sebastian! Vielleicht liegt grad
>in der Unspielbarkeit von Toywar sein Geheimnis? Ein
>surrealer Aufmarsch, fuer Freund und Feind unfassbar,
>und gerade dadurch fuer die Gegenseite hoechst beunruhigend.
>Weil das Unfassbare mehr als alles andere die Phantasie
>anheizt. Toywar war vom Konzept her Kunst, nicht Politik!
>Und zwar Kunst, die der Realitaet ihre Wirkung aufzwingt
>(insofern in der Tradition des Kunstterrorismus). Ein Event,
>das der Eventkultur im Sinnes eines "to hype out the hype"
>fuer einen Moment die Luft abschnuert. Weil nichts mehr geht.
>Eine Art von Nichts, die Dir eigentlich gefallen muesste.
>
>Ein zweites: Als Toywar am 1. Januar aufgeschaltet wurde,
>war die heisse Phase der Auseinandersetzung schon
>gelaufen. Es gab die oeffentlich erklaerte Bereitschaft des
>Einlenkens, und deshalb kam alles auf einen nachhaltigen
>Druck (hauptsaechlich auf der Investorenebene) an.
>In dieser Phase konnte Toywar nur eine Rekrutierungs-
>und Koordinationsfunktion uebernehmen. Bedeutet politisch:
>Wir wissen nach wie vor nicht, was Aktionsplattformen in
>"heissen Phasen" leisten koennen. Viele Tools wurden nie
>installiert, weil der Moment dafuer nicht gegeben war.
>Die Idee, Layers weltweiter virtueller Gruppen (die aus
>Bekanntschafts- und Zufallselementen gemischt sind)
>uebereinanderzulegen, scheint mir nach wie vor ein
>interessantes politisches Konzept.
>
>Punkt 1 war Kunst, Punkt 2 war Politik, Punkt 3 ist
>Kommunikation. Ich bin seit kurzem Superuser fuer
>Toywar und habe gerade die Kommunikationsstrukturen
>analysiert. Richtig ist, dass das Kommunikationstool
>von Toywar hauptsaechlich fuer (oft nicht gerade taufrische)
>Informationen (one to many) und nicht fuer Multiloge
>(a few with a few) genutzt wurde. Die Chatprotokolle
>liefern da schon ein anderes Bild (aber Chat gab es erst
>Tage vor der Kapitulation). Es darf zumindest vermutet
>werden, dass die Querkommunikation in heissen Phasen
>exzessiv anstiege (einschliesslich des Effekts, dass intensive
>VL-Kontakte intensive VR-Kontakte ausloesen).
>
>Etoy's Kunstkonzept ist, wie ich in meinem Telepolis-Beitrag
>ausfuehre http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/5768/1.html
>Beteiligungskunst. Es gibt insgesamt 640.000 Shares, die nach
>einem "sozialistischen" Schluessel ("jedem nach seiner Arbeit")
>verteilt werden. So flossen 10% des Grundkapitals an Toywar.
>Je mehr etoy's Kunst geschaetzt wird, um so mehr steigt der
>gehandelte Wert der Anteilsscheine. Statt Objekte zu fabrizieren,
>besteht das Kunstkonzept darin, den Marktwert des Kunstkapitals
>zu steigern. Ich wuesste nicht, wie das ohne Kommunikationen
>zu schaffen waere. Je mehr man sich auf die Etoy-Kampagne
>einliess, in desto mehr Kommunikationen wurde man
>hineingezogen. Es gab Tage mit hunderten an Kommunikations-
>(nicht Informations!)mails. Fuer mich sind in den paar
>Kampagnenwochen mehr globale Freundschaften entstanden
>als in den zehn Jahren davor (also seit dem Beginn meiner
>Globalisierungs- und Internetforschungen 1988 bzw 1994).
>Und eine Grosszahl dieser Leute hatte nie voneinander gehoert.
>
>Ich habe Zugang zum gesamten Kommunikationsintranet 
>von etoy, darunter allen Mails der Kampagne. Zai, etoy's
>Pressesprecher, hat buchstaeblich mit hunderten von
>Nicht-und-Niemals-Presseleuten kommuniziert. Vielleicht
>haettest Du ihm, Sebastian, einfach einmal eine Mail
>schicken sollen?
> 
>
>


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